Laudatio
Die
Menschheit verlor 1999 einen ihrer
Größten:
Am
12. März verstarb der Musiker,
Violinist, Dirigent, Philosoph und
Menschenfreund Lord Yehudi Menuhin
im Alter von 82 Jahren in Berlin.
Er erlag einem Herzleiden.
Yehudi
Menuhin wurde am 22. April 1916 in
New York (USA) geboren. Bereits
1926 debütierte er an der
Metropolitan Opera mit großem
Erfolg und wurde als musikalisches
Wunderkind schnell weltberühmt.
Menuhin gehörte zur Gruppe der
intellektuellen Künstler. Er
sprach und schrieb sechs Sprachen
und war vielseitig gebildet, vor
allem auf den Gebieten der Kunst,
Literatur und Politik. Sein
musikalisches Repertoire umfaßte
Werke aller Stilrichtungen und
Epochen. Sein Spiel zeichnete sich
aus durch besonderes Einfühlungsvermögen,
seine große Sensibilität. Zitat
Menuhin: "Musik steht dem
Menschlichen so nahe, daß man bis
ins Menschliche vordringen muß,
um ein Musiker zu sein."
Er gehörte bis zuletzt zu den
weltbesten Violinisten. 1935
unternahm er seine erste
Welttournee. Seitdem führten ihn
seine Engagements immer wieder
nach Europa, Australien, Asien und
Afrika. 1963 gründete er in Großbritannien
(Stoke d’Abernon in Surrey) ein
Internat für musikalisch
besonders begabte Kinder, die er
zeitweise auch selbst
unterrichtete. Menuhin blieb in
seiner Entwicklung niemals stehen:
in den 70ger Jahren musizierte er
gern mit dem indischen
Sitharspieler Ravi Shankar. Er war
aber auch im Duett mit Stéphane
Grappelli, dem schon betagten
legendären Jazz-Geiger zu hören.
Neben seiner Vielseitigkeit als
Geiger, seiner Vorliebe für Bela
Bartok initiierte er auch
Orchestergründungen und
Musikfestspiele und wandte sich
mit zunehmenden Alter häufig der
Kunst des Dirigierens zu. Er blieb
stets der Musik verpflichtet, die
er immer auch als Instrument der
Versöhnung, als Mittel der
menschlichen Läuterung empfand.
Diese philosophische Einstellung
ermöglichte es ihm auch nach dem
Krieg, nach dem Holocaust als
einer der ersten Künstler jüdischen
Glaubens, wieder für ein
deutsches Publikum zu spielen. Er
hatte seine Kunst den Soldaten
gespendet, den Überlebenden in
den KZ’s, spielte für die Opfer
und schenkte auch den Tätern neue
Hoffnung durch seine Musik. Denn für
ihn waren alle nur Menschen, in
denen der Traum von Menschlichkeit
wieder geweckt werden mußte.
Seine Hilfsbereitschaft, Humanität
und Gerechtigkeit zeichneten ihn
unvergleichlich aus. Sein
bescheidenes, leises Auftreten
verstärkte seine sympathische
Ausstrahlung und dennoch wurde er
nie müde, sich für die
Entrechteten dieser Welt
einzusetzen. Er polemisierte
niemals, grenzte niemals andere
Menschen aus, war sich stets der
Verantwortung bewußt, die ein Künstler,
der in der Öffentlichkeit steht,
übernehmen muß. Er hatte ein übergroßes
Herz, Frieden verkündend, an das
Gute appellierend, niemals
resignierend. Nicht nur die
Musikwelt trauert um einen der größten
Künstler des XX. Jahrhunderts -
die Menschheit hat einen ihrer
untadeligsten Befürworter
verloren.
Claudine
W.
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